Die Identität eines Menschen entsteht durch die unterschiedliche Verarbeitung von Sinnesreizen im neuronalen Netz des Gehirns. Netzwerkstruktur des menschlichen Gehirns ist weder starr noch bei allen Menschen gleich. Das Netzwerk stellt einen dynamischen Prozess dar. Am Anfang des Lebens gibt es zahlreiche Optionen für den konkreten Aufbau des Netzes, die im Laufe der zahllosen Lernprozesse entweder übernommen und verstärkt werden oder aber ungenutzt verkümmern. Die Vernetzungsdichte ist sehr hoch. So verfügt zum Beispiel jedes Neuron in der Sehrinde eines Neugeborenen über 2500 Synapsen, acht Monate später sind es bereits 15000.
Ausgehend von einem breiten Angebot an funktionalen Verschaltungsmöglichkeiten von Nervenzellen und Nervenzellgruppen entwickelt sich bei jedem Menschen durch Alltagserfahrungen in der Kindheit ein ganz und gar individuelles tatsächliches Verschaltungsbild für die unterschiedlichsten Dinge, Situationen, Tätigkeiten und Gedanken: Es ist eine Art mentaler Fingerabdruck.
Durch Training werden einmal etablierten Verbindungen stabilisiert und immer leichter "einschaltbar", der damit verknüpfte Gedächtnisinhalt ist also schneller und leichter zugänglich. So bilden sich neuronale Netze, die komplexere Aufgaben erfüllen und wiederum mit anderen Verbänden zusammenwirken, um letztendlich, so die verbreitete Sicht, unseren selbstbewussten Geist zu erzeugen.
Die Zeiten, in denen sich die verschiedenen Fertigkeiten durch individuelle Erfahrung im Gehirn des einzelnen Menschen formieren, sind relativ genau definiert. Die mathematisch-logischen Fähigkeiten formieren sich beispielsweise zwischen dem ersten und dem vierten Lebensjahr, die Fähigkeit zum vollständigen, akzentfreien Erlernen einer Sprache sinkt mit dem zehnten Lebensjahr drastisch ab.
Das neuronale Netz
Durch ein Handballtornetz blickt man in eine Turnhalle. Auf zwei Turnbänken stehen zwei Fernseher, darüber je zwei Monitore. In den Fernsehern laufen zeitgleich Videofilme von zwei kleinen Mädchen, die je einen Bauklötzchenturm bauen. Die Monitore zeigen, was dabei in den Gehirnen der Mädchen geschieht. Obwohl beide Kinder gleiche Türme bauen, entstehen unterschiedliche Netzwerkstrukturen in ihren Gehirnen.
Die Videoaufnahmen haben die Qualität von Hobbyvideos, wie sie Eltern von ihren kleinen Kindern produzieren. Der Besucher fühlt sich durch diese häuslich vertrauliche Atmosphäre berührt. Andererseits erhält er eine Vorstellung von der enormen Komplexität seines Gehirns. Der Besucher erlebt hier, dass auch er etwas Besonderes, da Einzigartiges ist.